Von Edith Arnold
Bild oben: Marc Ramseier auf seiner Lieblingsbank an der Ecke Krongasse/Bahnhofstrasse. Obwohl sich der Abteilungsleiter der Pfadi Luegisland-Schirmerturm in der Robotik auskennt, hofft er, dass das Bänkliputzen auch in Zukunft in den Händen der Pfadis und Jublas der Stadt Luzern bleibt.
1400 Sitzbänke warten im städtischen Raum auf: rote in Parks, grüne entlang von Wegen und Alleen, blaue bei vbl-Bushaltestellen, dazu in Farbe und Form auf spezielle Orte abgestimmte. Marc Ramseier, Pfadileiter in Luzern und Masterstudent Robotik an der ETH Zürich, wählt heute das grüne Sitzobjekt Im Zöpfli. Beim Eintreffen sagt er, immer wenn er nach Luzern zurückpendle, realisiere er, wie schön die Stadt sei. Es ist 19 Uhr. Die Abendsonne reflektiert im Reusswasser. Einige Leute trinken und snacken auf dem Kopfsteinpflaster. Ramseier, in blauer Jeans und grauem Sweatshirt, setzt sich auf die Bank: «Interessanter Blick aufs Nadelwehr und das historische Korporationsgebäude, gekrönt vom Pilatus!», kommentiert er den Ausblick. Eigentlich ist unsere Bank sauber. Dabei steht die Putzaktion der Pfadi erst an: einmal im Frühling, einmal im Herbst, jeweils einen Samstagnachmittag lang. Bei ihnen gehe es weniger um den oberflächlichen Schmutz, sagt Marc Ramseier. Feinstaub und Abgase oder Biomasse hinterlassen auch Spuren zwischen den Holzlatten. Während des Jahres sorgen Unterhaltskräfte der Stadt Luzern dafür, dass alles möglichst glänzt. Zudem helfen Niederschläge mit – und die Leute, die sich danach hinsetzen und mit ihren Kleidern die Bänke polieren.
Für Selfies, Picknicks, Apéros
Vom Zöpfli aus nimmt Marc Ramseier die nahe Reussbrücke ins Visier. Sieben Bänke ohne Rückenlehnen in zwei Reihen sorgen für effizientes Putzen. Vor Ort schaut er zwischen Holzlatten und Betonsockel. Fazit: ziemlich ordentlich. Denn die Sitzgelegenheiten zwischen der Kapellbrücke und dem blendend weissen Château Gütsch im Hintergrund sind für Selfies, Picknicks, Apéros sehr begehrt.
Ramseier geht weiter zum kleinen Platz an der Ecke Krongasse/Bahnhofstrasse. Dort führt eine Bank rings um eine Hainbuche. Ausser etwas Vogeldreck scheint alles im grünen Bereich. Mit dem Spriessen von Laubblättern und Blütenständen fällt wohl bald das eine und andere auf die Latten. Die rote Bank im kleinen Park hinter dem Regierungsgebäude ist besetzt. Hier fühle sie sich zu Hause, sagt die Frau. Der Götterbaum nebenan sei ein Kraftort.
Instruieren und aufklären
Putzevents würden nicht angekündigt, verrät Marc Ramseier. Sonst erhielte er wohl einige Entschuldigungen. Potenziell sind von den 250 Mitgliedern der Luegisland-Schirmerturm-Abteilung 85 Jugendliche einsatzbereit. In mehreren Gruppen und Zonen reinigen sie je 150 Bänke. Die 10- bis 15-Jährigen sind durch ein Tutorial von Stadtgrün vorbereitet: «Groben Abfall zusammennehmen und in einen Abfallsack stecken. Kaltes Wasser vom Brunnen holen. Biologisch abbaubares Spülmittel dazugeben, bis es schäumt, aber nicht überschäumt. Mit Schwamm und weicher Bürste reinigen. Hartnäckige Aufkleber und Tags belassen. Auch zwischen den Latten reinigen – nebst Sitzfläche und Rückenlehne. Mit der Spritzkanne die Bank abspritzen. Das restliche Seifenwasser in ein Lavabo oder Strassengully leeren, keinesfalls in eine Grünrabatte!» Zum Schluss die Bank etwas abtrocknen, könnte noch angefügt werden.
Wenn die Jugendlichen am Samstagnachmittag mit Reinigungsutensilien bei lauschigen Bänken eintreffen, reagieren manche Leute irritiert, insbesondere ältere. Sie müssen aufstehen, damit geputzt werden kann. Jedenfalls besteht Aufklärungsbedarf: Früher wurde Papier und Karton gesammelt, seit 2022 werden Sitzbänke geputzt. Der Beitrag von 196’000 Franken fliesst von der Stadt Luzern in die Sommerlagerkassen aller Pfadis und Jublas. Wobei noch weitere Dienstleistungen dazugehören (siehe Randspalte). Vor der Pfadi reinigten auch Credit-Suisse-Mitarbeiter ehrenamtlich Bänke.
Schäden würden dokumentiert, sagt Marc Ramseier. Bei Stadtgrün Luzern treffen zudem Bilder von Angestellten ein. Eine Bank hält zehn bis fünfzehn Jahre. Sie besteht aus Fichtenholz von lokalen Wäldern. Morsche oder durch Vandalismus beschädigte Latten ersetzt das städtische Zimmerwerk. Graffiti werden oft belassen – da man mit Übermalen kaum nachkommen würde.
Gesucht: Neues Materiallager
Die Pfadiabteilung organisiere sich wie ein Unternehmen, sagt Marc Ramseier, inzwischen auf einer viereckigen Bankinsel beim Mühlenplatz sitzend. Als Pfadi- und Abteilungsleiter engagiert er sich 30 bis 40 Prozent unbezahlt. Derzeit sucht er ein neues Materiallager. Jenes in Ibach ist auf Sommer gekündigt worden. Für Zelte, Ausrüstung und drei bis sechs Meter lange Baumstämme braucht es locker 70 Quadratmeter. Auch die Organisation des Sommerlagers der Pfadi Schirmerturm in Huttwil ist in vollem Gang. Insbesondere freue er sich, die Teilnehmenden beim Konstruieren ihrer eigenen Hochbauten aus Baumstämmen zu unterstützen, so Ramseier. Im oberen Stock ist die Schlaf-, im unteren die Freizeitzone. Zu einem Highlight könnte wiederum das 24-Stunden-Strategiespiel werden, das genauso lang dauert.
«Das Sommerlager in der Wildnis ist eine extrem gute Abwechslung zur ETH», sagt Marc Ramseier. Wobei es viele Schnittstellen gibt: Technische Entwicklungen können auf dem Feld angewendet werden, beispielsweise der Solarzellengenerator, der 80 Handys und sich selbst aufladen kann, oder die akkubetriebenen Scheinwerfer in Form grosser Taschenlampen. Der Lautsprecher, den er mit 13 Jahren gebaut hat, beschallt nach wie vor den Lagerplatz. Er versuche stets, junge Leute für Technologie zu begeistern, sagt der 22-Jährige. Das beste Gefühl sei es, wenn elektronische Geräte nach langer Entwicklung plötzlich funktionierten.
Weiterhin in Menschenhand
Wohin seine Engagements idealerweise führen? «In fünf Jahren vielleicht zu einem Robotik-Startup, vorzugsweise in der Prototypen-Entwicklung. Roboter sollen einer Mehrheit der Gesellschaft helfen, nicht schaden», findet er. Ihn interessieren Gebiete wie Katastrophenschutz (autonome Drohnen suchen mit Robotern verletzte Personen) oder Landwirtschaft (Roboter düngen nur schwache Pflanzen). Welche sauberen Erfindungen in naher Zukunft zusätzlich Sinn machen, wird sich weisen. Das ertragreiche Bänkliputzen soll aber in keine Roboterhände gelangen.
Vom Papiersammeln zum Bänkliputzen
Zwischen 1975 und 1992 zogen Schulen und Jugendorganisationen durch die Stadt, um Altpapier zu sammeln. Das Abenteuer füllte Klassenkassen und finanzierte Lager. Dann ging das gewichtige Geschäft ans Strasseninspektorat. In der Folge sollte die Kartonsammlung den Beitrag von 196’000 Franken sichern. Dazu wurde der Dachverband der städtischen Jugendorganisationen (DSJO) gegründet. Dieser vereint 17 Scharen bzw. Abteilungen von Pfadis, Blauring und Jungwacht (Jubla).
Neue Einsatzgebiete
Wegen gesteigerter Anforderungen an die Sicherheit und Haftungsfragen übergab die Stadt Luzern den Auftrag 2020 ebenfalls dem Strasseninspektorat. Die Kartonsammlung wurde ersatzlos gestrichen. Erst auf politischen Druck hin wurde im Stadtparlament ein Bericht und Antrag in Auftrag gegeben. So fanden sich neue Felder, die zusammen rund 5670 Einsatzstunden ergeben: Reinigen der Sitzbänke (siehe Haupttext), Organisieren von öffentlichen Spielanlässen im Sommerhalbjahr im Vögeligärtli (siehe www.freizeit-luzern.ch), flexibles Mitarbeiten beim Stadtfest Luzern.
Glänzende Kooperation
Verantwortlich für die Aktivitäten sind Roger Häfeli, Leiter Kinder- und Jugendförderung (Lieblingsbank beim Brunnen Klosterstrasse/Hochbühlstrasse), und Dominic Büttiker, Präsident DSJO (Lieblingsbank beim Aussichtspunkt Bergstrasse/Bergsteig). Informationen zu Stadtgrün Luzern: David Risi (Lieblingsbank im Felsberg-Park).