Von Jana Avanzini
In olivgrünen Hosen und knallorangen T-Shirts sitzen ein paar junge Männer zwischen Bewohnenden des Alters- und Pflegeheims im Gemeinschaftsraum. Sie spielen Lotto. In den Gängen und auch draussen im Garten leuchten immer mal wieder die Uniformen der Zivilschützer auf, wenn sie zwischen den betagten Menschen auftauchen, spazierend und plaudernd. Ein typischer Einsatz der Betreuungskompanie der Zivilschutzorganisation Pilatus (ZSOpilatus). Sie übernehmen hier die sogenannte «Aktivierung»: gemeinsame Spaziergänge und Spiele, auch Ausflüge gelegentlich. Bis im Oktober 2024 war die Kompanie bei ihren Einsätzen ausschliesslich für diese Aktivierung zuständig. Aktuell ändert sich ihr Auftrag. In fünf Blöcken werden alle 120 Betreuer der ZSOpilatus bis März 2025 die Ausbildung «Betreuung+» absolviert haben und danach in der Lage sein, mehr pflegerische Arbeiten übernehmen zu können.
Einer dieser jungen Männer in Orange ist Thomas Heer. Er ist Hauptmann und Kompaniekommandant eben dieser Kompanie. Er ist in Horw aufgewachsen, lebt hier mit seiner Partnerin und arbeitet auf der Gemeindeverwaltung Horw als Sachbearbeiter Immobilien.
Respekt vor Pflegearbeit
Der 30-Jährige betont, er habe die bisherigen Einsätze in den Altersheimen sehr gemocht: den direkten Kontakt mit den Leuten – zu spüren, wie sie sich über die zusätzlichen Kontakte und Freizeitangebote stets freuen würden. Natürlich habe es auch Zeiten gegeben, in der sie nichts zu tun hatten. Beispielsweise während der Essenszeit oder der Mittagspause. In Zukunft können die Zivilschützer dem Pflegepersonal in diesen und auch in weiteren Bereichen unter die Arme greifen: bei der Essenseingabe, beim Transfer der Betagten ins Bett, beim Aufstehen nach dem Mittagsschlaf, beim Puls- und Blutdruckmessen.
Er habe immer schon einen grossen Respekt vor der Arbeit des Pflegepersonals gehabt, sagt Heer. «Die Einblicke, die ich nun während der Ausbildung erhalte, haben diesen Respekt nochmals vergrössert.» In der Pflege werde mit sehr viel Herzblut gearbeitet, und es sei sehr schön, den Umgang mit den Bewohnenden der Alters- und Pflegeheime so nah mitzuerleben.
Angst, an Grenzen zu stossen
Als er von der Veränderung des Auftrags seiner Mannschaft und von der anstehenden Ausbildung erfahren habe, seien ihm verschiedene Gedanken durch den Kopf gegangen. Er sei verunsichert gewesen; genauso wie auch seine Kameraden, sagt Heer: «Einige haben Bedenken geäussert, sagten, dass sie Hemmungen hätten, auch Angst, an ihre Grenzen zu stossen.» Bei ihm sei es ähnlich gewesen. Auch er habe Angst gehabt, etwas falsch zu machen, sich unwohl oder unsicher zu fühlen bei Arbeiten. «Ich war überzeugt, dass das eine sehr sinnvolle Entwicklung unserer Kompanieaufgabe ist. Besonders auch im Rückblick auf die Pandemie und angesichts des immer wieder thematisierten Personalmangels in der Pflege», sagt Heer. Aber es sei trotzdem eine ziemliche Herausforderung für die Kompanie gewesen. Besonders, als er und seine Kameraden noch nicht genau gewusst hätten, welche konkreten Aufgaben sie übernehmen würden.
Raus aus der Komfortzone
Seit 2021 wird die zweiwöchige Grundausbildung der Zivilschützer durch sanitätsdienstliche Inhalte ergänzt, und inzwischen sind zwei Ausbildungstage zum Thema «Basispflege» fixer Bestandteil der Ausbildung. Diese Verlagerung Richtung Pflege sei nichts, wofür sich Thomas Heer oder die anderen Betreuer in der ZSOpilatus beim Eintritt in die Kompanie aktiv entschieden hätten. Die neue Aufgabe sei aber Auftrag: «Wir haben diesen angenommen, ganz unter dem Motto: Raus aus der Komfortzone, rein in die Lernzone», sagt Thomas Heer. Das habe sehr gut geklappt. Oft habe sich die Unsicherheit nach einem ersten Ausprobieren, dem ersten Kontakt in Luft aufgelöst. Wichtig sei aber trotzdem, dass niemand eine Arbeit übernehmen müsse, mit der sich die Person wirklich unwohl oder unsicher fühle. Das helfe niemandem.
Es gab Arbeiten, bei welchen er anfänglich mehr Mühe gehabt habe. Etwas gehemmt sei er bei der Unterstützung der Körperpflege gewesen, auch wenn sich diese auf das Waschen des Gesichts, der Arme und Füsse beschränke. Mittlerweile traue er sich viel mehr zu im Umgang mit pflegebedürftigen Personen. «Und in echten Notsituationen stellt sich dann die Frage auch gar nicht mehr, welche Arbeiten man lieber macht und welche weniger gern. Dann geht es darum, so viel zu übernehmen, wie man kann», so Heer. Und damit spricht er aus Erfahrung. Erfahrung auch aus seiner Arbeit in der freiwilligen Feuerwehr Horw.
Feuerwehroffizier und Chef Fahrausbildung ist Thomas Heer im Ehrenamt. Jeder Alarm, der bei der Feuerwehr Horw eingeht, landet auch auf seinem Handy. Und ist er als Erster vor Ort, dann leitet er den Einsatz. So lautet die Regel bei der freiwilligen Feuerwehr. Die Verantwortung, die er bei Einsätzen sowohl im Zivilschutz als auch in der Feuerwehr trägt, sei ihm sehr bewusst. Immer wieder werde ihm via Medien vor Augen geführt, was passiert, wenn die Feuerwehr nicht rechtzeitig vor Ort ist, um den Flurbrand einzudämmen oder den Wohnungsbrand unter Kontrolle zu bringen. Er ist glücklich, wenn er mit seinem Einsatz helfen kann, sei es bei der Feuerwehr oder im Zivilschutz.
Begeisterung weitergeben
Wenn er sich irgendwo engagiere, dann wolle er auch etwas mitentscheiden können, Weichen stellen und auch die Begeisterung weitergeben, das ist Thomas Heer wichtig. Deshalb engagiert er sich im Zivilschutz und in der Feuerwehr in Führungsrollen und besucht regelmässig Weiterbildungen.
Und auch ganz privat ist er keiner, der sich in den hinteren Reihen versteckt. An der Fasnacht führte er die Guuggenmusig Nachtheueler Horw über neun Jahre als Tambourmajor durch die fünfte Jahreszeit und gab den Takt an. Eigentlich sei er ein eher ruhiger Typ, sagt Heer über sich selbst. Aber die Geselligkeit, die sei ihm wichtig, und die Kameradschaft. «Und ich will in meiner Freizeit einfach etwas Sinnvolles tun», sagt Heer.
Betreuung+
Vor dem Hintergrund der Coronapandemie wurde im Jahr 2021 die zweiwöchige Grundausbildung der Betreuer aller Zivilschutzorganisationen im Kanton Luzern um einen Tag ergänzt: mit Inhalten aus dem sanitätsdienstlichen Bereich. Nach den positiven Erfahrungen damit gehört der Teil «Basispflege» mit zwei Ausbildungstagen seither zum festen Programm der Grundausbildung.
Sicherheitsbericht
Das neue Ausbildungsmodul wird im Sicherheitsbericht 2023 der Stadt Luzern als Massnahme zur Verbesserung der Sicherheitslage in Notsituationen aufgelistet.
Kooperation mit Viva
Seit Oktober 2024 werden die zweitägigen Ausbildungen für die Betreuer der ZSOpilatus vom Ausbildungspartner und zukünftigen Leistungsempfänger, der Viva Luzern AG, durchgeführt. Nach dieser Ausbildung sollen die Betreuer bereit sein, das Pflegepersonal zu entlasten, indem sie einfache pflegerische Tätigkeiten übernehmen