Bild oben: 2021 haben wohl auch wegen der Corona-Pandemie weniger Personen den Zug und den Bus benützt. Im Gegenzug wird das Velofahren immer beliebter. Damit liegt Luzern im Trend der grössten Städte der Deutschschweiz.
Von Romeo Degiacomi
Vor elf Jahren erarbeiteten die sechs grössten Deutschschweizer Städte Basel, Bern, Luzern, St. Gallen, Winterthur und Zürich erstmals einen gemeinsamen Bericht «Städtevergleich Mobilität». 2017 folgte die zweite Ausgabe. Der dritte Bericht der Städte, welcher diesen Herbst erschienen ist, basiert auf Datenerhebungen aus dem Jahr 2021. Entsprechend zeigen sich die Folgen der Corona-Pandemie deutlich in den Ergebnissen: Obwohl die Bevölkerung in allen sechs beteiligten Städten zugenommen hat, ging die Mobilität insgesamt zurück. Gesamtschweizerisch nahm die durchschnittliche Tagesdistanz gegenüber 2015 um 19 Prozent ab.
Die Bevölkerung legte weniger Wege zurück und war weniger lang und weniger weit unterwegs. Der öffentliche Verkehr war von diesem Rückgang in allen sechs Städten am stärksten betroffen. Bei Auswertungen der Verteilung des Verkehrsaufkommens (Modalsplit) nahm dadurch der prozentuale Anteil der 2021 mit dem Auto, dem Velo oder zu Fuss absolvierten Wege auf Stadtgebiet tendenziell zu, obwohl auch diese in der Pandemie – in absoluten Zahlen betrachtet – deutlich weniger geworden waren. Der Modalsplit wurde also durch die Corona-Pandemie stark beeinflusst. Statische Merkmale wie zum Beispiel der Autobesitz pro Haushalt sind dagegen durch die Pandemie vergleichsweise wenig beeinflusst worden.
Herausforderungen steigen
Die sechs Städte haben nach wie vor ähnliche Herausforderungen zu meistern: Sie wachsen auf begrenztem Raum, die Siedlungsdichte nimmt zu, die Zahl der Arbeitsplätze und damit auch die der Pendlerinnen und Pendler steigt in den meisten Städten genauso wie die Ansprüche an eine gute städtische Lebensqualität.
Velo- und fussgängerfreundliche Städte
In Luzern, St. Gallen und Winterthur ist rund die Hälfte des städtischen Strassennetzes verkehrsberuhigt. In Basel, Bern und Zürich sind es über 60 Prozent. Dies sind Tempo-30-Zonen, Tempo-30-Strecken, Begegnungszonen und Fussgängerzonen. Im Modalsplit, das heisst in der prozentualen Aufteilung des Verkehrsaufkommens auf einzelne Verkehrsmittel, hat der Fussverkehr in allen Städten einen hohen Stellenwert. In Luzern sind im städtischen Vergleich am meisten Menschen zu Fuss unterwegs. In Basel, Bern und Winterthur wird besonders häufig Velo gefahren, während in Zürich der öffentliche Verkehr (ÖV) überdurchschnittlich viel genutzt wird. In St. Gallen ist der Anteil der Velofahrten noch geringer, er nahm in den letzten Jahren aber deutlich zu. Wird der motorisierte Individualverkehr (MIV) an den Zählstellen betrachtet, lässt sich bei allen Städten eine Abnahme gegenüber 2015 feststellen.
Immer mehr autofreie Haushalte
Beim Motorisierungsgrad (Anzahl Personenwagen pro 1000 Einwohnende) zeigen sich Unterschiede: In Basel, Bern und Zürich besitzt nur noch etwa jede dritte Person ein Auto, in Luzern sind es rund 40 Prozent der Haushalte, in St. Gallen knapp die Hälfte. So besitzen von 1000 Luzerner Haushalten noch 401 ein Auto, was gegenüber 2017 ein starker Rückgang ist. Vor sechs Jahren besassen noch 456 von 1000 Haushalten ein Auto.
Insgesamt liegt der Motorisierungsgrad in allen sechs Städten weit unter dem Schweizer Durchschnitt und ging über den Betrachtungszeitraum des Städtevergleichs tendenziell zurück. Entsprechend besass 2021 in St.Gallen und in Winterthur rund ein Drittel aller Haushalte kein eigenes Auto, in den anderen Städten war es zirka die Hälfte. Im Schnitt stehen in allen teilnehmenden Städten pro immatrikuliertes Auto zwei Parkplätze zur Verfügung (öffentlich und privat).
Mehr Fussgängerinnen und Fussgänger
Auffällig ist, dass die Bevölkerung der Stadt Luzern im Jahr 2021 im Vergleich zu den anderen Schweizer Städten am häufigsten zu Fuss unterwegs war. In der Stadt Luzern legten rund 20 Prozent der Erwerbstätigen, die in Luzern wohnen und arbeiten, ihren Arbeitsweg mit dem Auto zurück (minus 3 Prozentpunkte gegenüber 2015). 32 Prozent benützten für den Arbeitsweg den öffentlichen Verkehr (minus 4 Prozentpunkte), und 48 Prozent fuhren mit dem Velo zur Arbeit oder gingen zu Fuss (plus 6 Prozentpunkte).
In der Freizeit zu Fuss oder mit dem Auto
Schaut man, wie die Stadtluzerner Bevölkerung insgesamt – also nicht nur für den Weg zur Arbeit – unterwegs ist, so zeigt sich, dass sie in erster Linie zu Fuss geht (44 Prozent) oder mit dem Velo fährt (9 Prozent). Die zurückgelegten Wege mit dem ÖV gingen gegenüber 2015 zurück (von 23 auf 18 Prozent), was den Auswirkungen der Pandemie geschuldet ist. Die Stadtluzerner Bevölkerung hat auch weniger häufig das Auto benützt: Der Anteil aller Wege, welche mit dem Auto zurückgelegt wurden, hat von 33 (2015) auf 28 Prozent (2021) abgenommen. Dabei wird sichtbar, dass das Auto häufig auch für kurze Strecken genommen wird. In der Stadt Luzern liegen 47 Prozent aller MIV-Wege unter 5 Kilometern.
Besitz von ÖV-Abonnementen
Der Städtevergleich stellt auch fest, welcher Anteil der Bevölkerung ein ÖV-Abonnement besitzt. Als Abonnement werden dabei nur Dauerbillette von regionalen Verkehrsbetrieben bzw. von der SBB gewertet. In Luzern sank der Anteil von 42 Prozent im Jahr 2015 auf 32 Prozent. Bei der Erhebung wurde das Halbtax, das nur in Kombination mit einer weiteren Fahrkarte zu ÖV-Fahrten berechtigt, nicht gezählt. Zu dieser Abnahme im Jahr 2021 hat die Corona-Pandemie erheblich beigetragen, unter anderem auch durch das Arbeiten im Homeoffice.
Tagesdistanzen und Reisezeiten
Luzernerinnen und Luzerner legten 2021 pro Tag durchschnittlich eine Distanz von 27 Kilometern zurück (Tagesdistanz) und waren 95 Minuten unterwegs. In Basel liegt der Durchschnitt bei 19 Kilometern bzw. 79 Minuten.
Velobesitz in der Stadt Luzern
Zum ersten Mal wurde auch der Velobesitz erhoben. Dabei wurden nur «normale» Velos sowie «langsame» und «schnelle» E-Bikes berücksichtigt. Kindervelos, Mountainbikes, Rennvelos und andere Velos wurden nicht mitgezählt. In Luzern verfügen rund zwei Drittel der Haushalte über mindestens ein eigenes Velo.
Weitere Informationen
Zum Städtevergleich
Der «Städtevergleich Mobilität» dient als Grundlage für die Zusammenarbeit unter den Städten und für die Ausarbeitung von Massnahmen. Im «Städtevergleich Mobilität» werden die teilnehmenden Städte kurz charakterisiert und Kennwerte zum Verkehrsverhalten der jeweiligen Stadtbevölkerung verglichen – beispielsweise der Modalsplit, der zeigt, welche Verkehrsmittel welchen Anteil an den zurückgelegten Wegen ausmachen.
Umweltauswirkungen
Der Bericht enthält weitere Kennwerte zu den Verkehrsinfrastrukturen sowie Daten aus Verkehrszählungen. Zusätzlich werden auch Kennwerte zu Verkehrssicherheit und Umweltauswirkungen verglichen. Bei einigen Indikatoren kann die zeitliche Entwicklung aufgezeigt werden, basierend auf den verfügbaren Zahlen aus dem ersten Bericht 2012 (Datenbestand 2010), dem zweiten Bericht 2017 (Datenbestand 2015) und dem nun vorgelegten dritten Bericht (Datenbestand 2021).
Mobilitätsplanung
Der «Städtevergleich Mobilität» dient als Basis für einen besseren Austausch und eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Städten im Bereich Verkehr sowie als Grundlage für die Erarbeitung von Mobilitätsstrategien und Massnahmen. Die Erkenntnisse aus dem Städtevergleich Mobilität fliessen in die aktuelle Mobilitätsplanung der Stadt Luzern ein.