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6. Mai 2024
Vor 20 Jahren eröffnete der erste Standort der Quartierarbeit der Stadt Luzern. Grund zum Feiern haben auch verschiedene Quartiervereine in diesem Jahr. Wo liegt der Ursprung des Engagements für lebendige Quartiere? Eine Spurensuche.

Von Manuel Huber

Bild oben: Vorstand Quartierverein Obergrund, 1917

Wohin mit dem Zuchthaus und dem Siechenhaus, der Infanteriekaserne und dem Schlachthaus? Was in früheren Zeiten in der Stadt Luzern nicht gerne gesehen war, siedelte man ausserhalb der Stadtmauern in der Sentivorstadt an. Die Infrastruktur für die Bevölkerung zwischen Kasernenplatz und Reussinsel wurde aber klein gehalten. Dagegen formierte sich Widerstand. So entstand im Untergrund, wie die Sentivorstadt auch genannt wurde, der erste Quartierverein der Stadt Luzern. Eine aufmüpfige Schar von Quartierbewohnenden schloss sich 1864 zusammen, um sich bei der Stadtregierung für ihr benachteiligtes Quartier einzusetzen. Mit Erfolg. Der morsche Waschsteg an der Reuss wurde ersetzt, die Brunnen geflickt und die Baselstrasse mit einer Gasbeleuchtung ausgestattet. Die Gruppe unterschrieb ihre Petitionen mit «Wächter am Gütsch». Der damalige Stadtrat musste sich erst an die Aufmüpfigkeit gewöhnen. Er fand es «ungeheuerlich», was die Untergründler da wollten. Der Beharrlichkeit des Quartiervereins konnte er sich aber letztlich nicht entziehen. Wohl auch deshalb, weil der Untergrund wirtschaftlich bedeutsam war für die Stadt.

Wirtschaftliche Interessen legten auch den Grundstein für die Quartiervereine Obergrund und Hochwacht zehn Jahre später. Der Quartierverein Obergrund war ursprünglich ein strammer Gewerbeverein von gehobenen Herren. Ebenfalls 1874 entstand der Quartierverein Hochwacht, gegründet von Gewerbetreibenden und Handwerkern. Nach und nach entstanden weitere Quartiervereine. Über Jahrzehnte haben sich die Quartiervereine zu Interessenvertretungen für die ganze Bevölkerung entwickelt. Sie fördern das Zusammenleben und bilden das Bindeglied zu den Behörden. Aus dem Gegeneinander in der Gründerzeit wurde ein Miteinander. Heute arbeiten die Stadtverwaltung und die Quartiervereine Hand in Hand, um die Quartiere lebenswert zu gestalten und lebendig zu halten. Unterstützt werden sie von Kirchen, Vereinen und Verbänden.

Welche Rolle spielen Quartiervereine heute? Und wie entstand die Quartierarbeit der Stadt Luzern? Antworten von drei Quartierprofis.

Walti Mathis
Walti Mathis, Pionier der professionellen Jugendarbeit

 

Sibylle Lang
Sibylle Lang, Standortleiterin Quartierarbeit Littau

 

Andreas Gervasi
Andreas Gervasi, Co-Präsident Quartierverein Obergrund

Ursprung und Urgestein

Der eigentliche Ursprung der Quartierarbeit in der Stadt Luzern liegt im Würzenbach. «Ich erhielt Anfang der 1980er-Jahre vom Verein Spielhaus Würzenbach den Auftrag, den Robinsonspielplatz und das Spielhaus in der Hochhüsliweid zu einem Jugendtreff auszubauen», erinnert sich Walti Mathis. Mit viel Elan startete er 1982 in einem 40-ProzentPensum, unterstützt mit Mitteln der Stadt Luzern «So entstand der erste Jugend- und Quartiertreff der Stadt mit professioneller Jugendarbeit direkt im Quartier. Für mich war das die schönste Zeit in meinem Berufsleben», sagt der heute 67-Jährige. Was ihm bei seiner Arbeit geholfen hat: Er wohnte im Quartier und war damit «fassbar», er war Präses der Pfadi St. Johannes und mit der Pfarrei vernetzt. «Mit meiner Arbeit konnte ich nachweisen, dass es professionelle Jugendarbeit in den Quartieren braucht.» 1992 wechselte Walti Mathis in die Stadtverwaltung und war bis 2004 Kinder- und Jugendbeauftragter der Stadt Luzern. Sein Auftrag war es, «das Modell Würzenbach» auf die ganze Stadt auszuweiten mit Fokus auf Jugendarbeit. Walti Mathis erarbeitete das Konzept «Mobile Jugendarbeit in der Stadt Luzern». Sein Grundsatz: «Dort aktiv sein, wo die Jugendlichen sind – nämlich in den Quartieren.» Dieses Konzept legte den Grundstein für die heutige Quartierarbeit der Stadt.

Bindeglied zwischen den Quartierkräften

Die Quartierarbeit der Stadt Luzern hat sich ab dem Jahr 2000 aus der «Mobilen Kinder- und Jugendarbeit» heraus entwickelt. Wertvolle Grundlagenarbeit lieferte auch das Projekt «BaBeL-Kids» im Gebiet Basel- / Bernstrasse. 2004 entstand an der Baselstrasse 72 schliesslich der erste Standort der städtischen Quartierarbeit. «Die Quartierarbeit hat sich immer mehr geöffnet und steht heute der ganzen Bevölkerung zur Verfügung», sagt Sibylle Lang und ergänzt: «Wir spüren den Puls der Bevölkerung und der Quartiere.» Auch deshalb, weil die Quartierarbeit der Stadt bestens vernetzt ist: mit Quartiervereinen und Schulen, mit Kirchen und Vereinen. In Littau beispielsweise sei die Zusammenarbeit mit den vier Quartiervereinen kooperativ und kollegial. Man ergänze sich gut, sagt Sibylle Lang: «In den Quartiervereinen ist die Bevölkerung super organisiert, um etwas anzustossen. Wir von der Quartierarbeit ermöglichen einen direkten und niederschwelligen Draht zur Stadtverwaltung. Es braucht uns beide.» Das zeigt sich aktuell auch beim Bahnhof Littau. Durch die Zusammenarbeit zwischen der Quartierarbeit und dem Quartierverein An der Emme wird die Bevölkerung aktiv in die Aufwertung des Gebiets rund um den Bahnhof miteinbezogen.

Direkt, einfach und partnerschaftlich

«Wir sind ein Interessenverein und Netzwerk der Quartierbevölkerung gegenüber der Verwaltung und betreiben Quartierpolitik für alle», erklärt Andreas Gervasi. Aktuell beschäftigt sich der Quartierverein Obergrund beispielsweise mit der Vereinsgründung der IG Kulturachse zur Aufwertung des Freigleises und mit der Zukunft des Bocciodromos beim Eichwäldli. «Dazu sind wir im Austausch mit der Quartierentwicklung der Stadt Luzern.» Der Dialog funktioniere, sagt Andreas Gervasi: «Als Quartierverein hat man gegenüber der Stadt eine kurze und direkte Kommunikation, wird meist frühzeitig informiert und im besten Falle bei städtischen Anliegen partizipativ einbezogen.» Auch die Zusammenarbeit mit der Quartierarbeit sei «sehr direkt, einfach und partnerschaftlich». Der Quartierverein ist auch mit anderen Quartierkräften vernetzt und organisiert Begegnungs- und Kulturanlässe für Jung und Alt. So stehen etwa im Rahmen des 150-Jahr-Jubiläums ab Juni beim Pilatusplatz, Paulusplatz und Eichwäldli Installationen, die ziemlich genau die Endpunkte und den Mittelpunkt des bebauten Quartiers abbilden. Zudem gibt es ebenfalls ab Anfang Juni den neu entwickelten historischen ObergRundgang durchs Quartier.

 

Quartierarbeit der Stadt Luzern
Die Stadt Luzern setzt sich mit ihrer Quartierentwicklung und Quartierarbeit für eine hohe Lebensqualität in den Quartieren ein. Die städtischen Mitarbeitenden begleiten langfristige Veränderungsprozesse, unterstützen die Bevölkerung bei der Entwicklung ihres Quartiers und fördern das Quartierleben. Kinder erhalten über die Quartierarbeit die Möglichkeit, ihr Quartier mitzugestalten. Die Quartierarbeit der Stadt Luzern ist mit Quartierbüros an acht Standorten im ganzen Stadtgebiet präsent. Die Quartierbüros sind offen für Menschen jeden Alters, die sich im Quartier einbringen wollen.

20-Jahr-Jubiläen
Die Quartierarbeit plant im Jubiläumsjahr verschiedene Aktionen: www.quartierarbeit. stadtluzern.ch Das Jugendkulturhaus Treibhaus hat sein 20-Jähriges bereits am 3. Mai offiziell gefeiert.

Jubilierende Quartiervereine
In der Stadt Luzern gibt es 21 Quartiervereine. Sie setzen sich für die Interessen ihres jeweiligen Quartiers ein, vernetzen die Quartierbevölkerung und fördern das Quartierleben mit vielfältigen Anlässen. Folgende Quartiervereine (QV) feiern in diesem Jahr ein besonderes Jubiläum:
150 Jahre QV Obergrund, 150 Jahre QV Hochwacht, 100 Jahre QV Säli-Bruch-Obergütsch, 75 Jahre QV Udelboden.
Mehr Informationen zu den Quartiervereinen und zu den Jubiläumsaktivitäten unter:
www.dialogluzern.ch

 

 

 

 

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