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1. Juli 2024
Wanderstadt Luzern: 80 Kilometer «Luzerner Wanderwege» verführen im städtischen Raum – auch zu interessanten Umwegen, Hofläden und Sitzbänken.

Bild oben: Von der Oberrüti führt der Wanderweg Nummer 98 entlang des Bireggwaldes in die Stadt Luzern. Der Aussichtspunkt auf Horwer Boden gibt den Blick auf ein städtisches Wandergebiet frei: Am Bürgenstock unterhält der Verein «Luzerner Wanderwege» ein 5 Kilometer langes Bergwegnetz.

Von Edith Arnold

Neue Wanderwegweiser leuchten am Kandelaber vor der Luzerner Seebrücke. «Sonnenberg 1h 05 min» steht mitunter, «Hildisrieden 4 h 45 min», «Via Jacobi 4». Hanspeter Heer hat die Schilder montiert. Nun prüft der Bezirksleiter 1h 55 min weiter bei «Längacher» in Horw die Lage. «Ausser einer leichten Patina alles okay!», kommentiert er. Also fährt er die Teleskopleiter aus, stellt diese an die dünne Stange und steigt mit Putzmaterial hoch. Eine wacklige Sache fürs beobachtende Auge, nicht aber für den 75-Jährigen. Er besprüht die Tafeln, lässt das Mittel einwirken, reibt Flächen samt Kanten, bis alles glänzt. Bei der Arbeit bleibe er fit, sagt der pensionierte Einkaufsleiter, der nebenher Fussball und Tennis spielt. Zwischen 250 und 300 Stunden ist er jährlich für den Verein «Luzerner Wanderwege» unterwegs. Immer im Rucksack: Metallbriden, Sechskantschlüssel, Schrauben, Muttern, Drahtbürste, Heckenschere, gelbe Farbe.

Wanderweg
Hanspeter Heer ist jährlich bis zu 300 Stunden für die «Luzerner Wanderwege» unterwegs.

«Waldstätterweg» mit Abstecher

Den Rhombus an der Buche könne man belassen, findet Heer. Die Farbe sei noch gut sichtbar. Wie aber konnte sich der Wegweiser bei «Roggere», 10 Gehminuten weiter, derart verdrehen? Auch mit grossem Kraftaufwand lässt sich dieser nicht mehr zurechtbiegen. Heer bestellt eine neue Tafel. Dann wird er auf den Sonnenberg gerufen, der ebenfalls zu seinem Bezirk gehört. Wir bleiben auf dem «Waldstätterweg 98». Dieser erstreckt sich 115 Kilometer um den Vierwaldstättersee zwischen Rütli, Luzern und Brunnen. Nach «Felmis» geht’s zickzack durch ein Villenquartier zum Bauernhof «Seeblick» hoch. Im Hofladen gibt’s eigenen Most und Eier von Freilandhühnern, die weiter oben gackern. Derweil summen Bienen um ihr Haus herum.

Im Schritttempo zieht der Bürgenstock vorbei. Die Augen fahren den raketenhaften Hammetschwandlift hoch. Bei der Enklave Luzerns bestünde ein Bergwanderweg. Eine schöne Vorstellung aus der Distanz. Der Landschaftsfilm läuft weiter: Bergketten verschieben sich vor hohen Gräsern. Dazu pfeifen Vögel aus dem Wald. Es ist Mittwochnachmittag, kein Mensch in Sicht. Ein Weg lockt ins Waldinnere. Sich kurz verirren? Der Bireggwald hat einen mystischen, sportlichen, biodiversen Ruf. Ein Pfad führt zu einer verwunschenen Anhöhe. Wenn es Waldfeen gibt, dann an solchen Orten. Das Tobel gegenüber ist derweil von Bikerspuren durchzogen. Noch etwas weiter, wo der Wald an die Allmend grenzt, ist ein Naturerlebnisgebiet. Inmitten von Sumpfgräsern schauen gelbe Wandertafeln hervor, während Gelbbauchunken quaken.

Zurück auf den «Waldstätterweg»! Er führt den «Stutz» hinunter. Das Knirschen des Kieses wird durch Motorengeräusche übertönt. Ennet der Stutzstrasse geht’s nach Schönbühl-Tribschen. Ein Bad in der Menge nehmen? Ins Richard Wagner Café einkehren? Joggende ziehen vorbei. Bei der Ufschötti dröhnt Musik aus Boxen. Die Richtungszeiger beim Inseli und KKL sind besonders hoch angebracht. So werden Sprayer ferngehalten. Der «Waldstätterweg» würde über die Seebrücke, dem Quai entlang Richtung Meggen weitergehen.

Wanderweg
Nicht nur die Wegweiser werden unterhalten. Auch die Rhomben an den Bäumen werden regelmässig aufgefrischt.

Doppelt so schnell wie angezeigt

Das städtische Wanderwegnetz misst 75 Kilometer. Hinzu kommen 5 Kilometer Bergwanderweg beim Bürgenstock. 31,6 Kilometer verlaufen auf hartem Grund wie Asphalt, Beton oder Spuren davon. Die «Via Gottardo 7» führt zwischen Luzern und Flüelen sogar über Wasser. Einer, der fast alle Wege erlebt hat, ist Andreas Lehmann. Kürzlich hat der «Luzerner Wanderwege»-Leiter Luzern–Hildisrieden getestet. Es sei spannend, von der Stadt und Agglomeration in Landschaften hinauszuschreiten, sagt er. Manchmal versucht er, doppelt so schnell wie die angegebene Zeit zu sein. Grenzwanderungen im Kanton, himmlische Pfade auch in der Stadt: Beim Friedental ist ein neuer Weg erschlossen worden. Nach dem Queren des Friedhofs kann man durch dichtes Gewächs den Götter- bzw. den Rotsee ansteuern.

Inzwischen blinzeln überall gelbe Zeichen. Noch kurz über den «Alpenpanoramaweg 3» zum «Sonnenberg 1h05 min» hochgehen! Der Weg führt durch Menschenmengen an der Bahnhofstrasse zur Klosterstrasse. An Wegweiserstangen kleben kryptische Zeichen. Offenbar sind noch andere Leute unterwegs.

Der Weg ist das Ziel: Zwei Wanderinnen unterwegs auf dem «Waldstätterweg» Richtung Luzern.

38 Vogelarten in Hecken und Hochstämmern

Bei «Steinhof» führt der Weg am GigeliwaldRand hoch. Hoffentlich kommt kein Biker von der Piste ab, die parallel verläuft. Eine Anhöhe ist erreicht. Auf dem Wurzelplatz mit Blick zum Pilatus picknicken Kinder. Vorne, beim Bauernhof Gabeldingen, begrüsst ein Sennenhund. Aus dem Stallfenster schaut ein Brown-Swiss-Kalb. Schwalben fliegen unters Dach. Ein «Birdlife Schweiz»-Plakat informiert über die Vogelvielfalt: 38 Arten bewegen sich über dem Gelände. Wo mögen Grünspecht, Sumpfmeise, Turmfalke sein? Jungbäuerin Fabienne Buholzer zeigt auf Hecken, Hochstämmer und weitere Strukturen. Ihr Lieblingsort? «Im Garten!», lacht sie inmitten von Kohlrabi, Salaten und Erdbeeren. Der zweite Hund, ein Bernhardiner, verabschiedet sich schnuppernd. Weiter geht’s auf dem Wanderweg – zumindest bis zur roten Bank unter der duftenden Linde. Ist das nun ein Schwarz- oder Rotmilan, der weit über dem Kopf kreist? Hier oben werden auch gerne Drohnen und Drachen geflogen.

Der gefühlte Blick aufs Mittelmeer

Eine Frau mit Labradoodle kommt entgegen: Sylvie Brechbühl und Yuma sind täglich zwei Stunden unterwegs. Berg- und Fernwanderungen gehören ebenso zu ihrem Programm. Der Lykische Weg entlang der türkischen Küste sei einmalig gewesen, sagt die Expertin in La-Sportiva-Schuhen. Weite erlebe sie auch bei der «Chrüzhöchi» auf dem Sonnenberg. Dort habe sie das Gefühl, bis aufs Mittelmeer sehen zu können. Zwischendurch taucht sie in die nahe Wolfsschlucht mit Moosen und Farnen ab – ein Lieblingsort von Bezirksleiter Hanspeter Heer. Ab Seebrücke über den Sonnenberg würde zudem die «Via Jacobi 4» verlaufen. Der Pilgerweg lässt sich schon mal gemütlich via Schweizmobil-Website erkunden.

 

ReFIT auf der Allmend …
Die Tafeln der «Luzerner Wanderwege» wachsen nicht aus dem Boden. Auch wenn dieser so biodivers ist wie im Naturschutzgebiet auf der Allmend. Dort haben ReFIT-Arbeitskräfte jüngst kleine Betonfundamente für Wegweiser eingelassen. Eine Winwin-Situation in jeder Hinsicht. ReFIT ist ein Arbeitsintegrationsprogramm des städtischen Tiefbauamts. Es hat zum Ziel, die Arbeitsmarktfähigkeit und die soziale Integration der Teilnehmenden zu verbessern. Zu den aktuellen Projekten gehören die Wegleitungen beim Friedental-Rotsee. Hier galt es, alte Beschriftungen zurückzubauen und neue zu erstellen.

… und im Kiosk Eichhof
Ein weiteres ReFIT-Projekt ist der Eichhof-Kiosk. 1937 ist er an der Obergrundstrasse 102 erstellt worden. Als typischer Vertreter des Neuen Bauens ist das Gebäude im kantonalen Bauinventar als «schützenswert» eingetragen. Nach einer denkmalpflegerischen und energetischen Sanierung kann der Kiosk nach fünf Jahren voraussichtlich im Herbst /Winter endlich wiedereröffnet werden. ReFIT-Mitarbeitende, die Kompetenzen im Bereich des Verkaufs erwerben oder stärken wollen, bieten dann eine Auswahl an Genussprodukten aus der Region an.
 

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Stadtmagazin 2/2024

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