Die Schüür-Crew hat die superschwierigen Corona-Monate beachtenswert gemeistert. Während sieben Monaten verwandelte sich das Konzerthaus in ein Probenhaus, das zahlreiche Bands für Aufnahmen und Videoproduktionen nutzten und auch die Mitarbeitenden der Schüür bei der Stange hielt. 48 Leute verdienen hier ihr Einkommen, elf davon sind fest angestellt. Der Teamgeist hat nicht gelitten. «Wir sind wie eine Familie», sagt Schüür-Leiter Marco Liembd, «alle legen sich für das Haus ins Zeug.» Vor drei Jahren wurden eigenhändig 25 Tonnen Steinplatten als Boden im Schüür-Garten verlegt. Solche Aktionen schweissen das Team zusammen. Nach dem Garten ist jetzt die ganze Schüür im Umbaumodus, doch schon Ende Oktober wird der normale Konzertbetrieb wieder aufgenommen. Liembd hat den Erweiterungsbau initiiert und beliebt gemacht. Er dürfte als gewiefter Bau-Zampano in die Schüür-Geschichte eingehen.
«Eine absolute Pionierin»
Dank einer Person, die selber nicht die grosse Bühne sucht, hat die Schüür bis heute überlebt. Sie bestimmt viermal länger als Liembd die Geschicke der Schüür mit und managt den Laden seit neun Jahren als stellvertretende Geschäftsleiterin: Daniela Imholz-Sieber. Die Bernerin heuerte im Jahr 2000 bei der Schüür an, als diese betriebstechnisch noch eher strukturlos funktionierte und finanziell tief in den roten Zahlen steckte. Sie arbeitete als rechte Hand mit Betriebsleiter Michael Schütz, übernahm dann die Leitungsfunktion und wurde später stellvertretende Geschäftsleiterin von Thomas Gisler alias Gisi. «Ich kam, um die Administration und die Buchhaltung zu besorgen und die internen Abläufe zu reorganisieren», sagt Daniela Imholz-Sieber. Wie viele Technikerinnen, Techniker und Gastro-Leute ist sie der Schüür über Jahre treu geblieben. Immer mal wieder rückten Leute ins Team, die im Treibhaus oder bei Radio 3FACH ihre ersten Erfahrungen gesammelt hatten und von deren Kompetenzen der Betrieb profitieren konnte. Daniela Imholz-Sieber ist die ordnende Hand hinter den Kulissen. Sie ist verantwortlich für die Finanzbuchhaltung, das Personalwesen, die externen Veranstaltungen (Firmenanlässe), den Wareneinkauf und hilft bei der betrieblichen Organisation. Sie ist länger im Haus als jeder Chef zuvor: «Lange vor der Genderdebatte hat Daniela in der Schüür betriebliche Verantwortung übernommen. Sie ist eine absolute Pionierin.»
Unterschiedliche Stärken ergänzen sich
Liembd selber ist als Geschäftsleiter konzeptionell tätig, schreibt die Gesuche, entwickelt Innovationen, plant in die Zukunft, kommuniziert, geht an die Öffentlichkeit. Er hatte den Mut, im Erdgeschoss eine fixe Bühne einzubauen und etablierte den Schüür-Garten als dritte Bühne. «Wir ergänzen uns perfekt», nicken sich die beiden zu. Die Konstanz der Schüür beweist es. Auch die Buchhaltung stimmt. «Wir haben uns ein finanzielles Polster geschaffen, dank dem wir beispielsweise Konzerte, die nicht so gut laufen, quer subventionieren können», sagt Daniela Imholz-Sieber. Und das bei einem Eigenfinanzierungsgrad von 95 Prozent.
Prägende Figuren, prägende Institution
Zu dieser positiven Entwicklung hätten alle Betriebsleiter auf ihre Weise beigetragen, betont Liembd und bringt die Entwicklung der letzten Jahre prägnant auf den Punkt: «Schütz kam mit dem Vorschlaghammer und räumte auf. Daniela hat die Strukturen etabliert und dafür gesorgt, dass alles sauber abgerechnet und abgelegt wird. Gisi pushte mit seinem Booking-Know-how den Betrieb von 60 auf 250 Konzerte pro Jahr. Und ich habe den Umbau angerissen, damit die Schüür infrastrukturell diesen Weg weitergehen kann.» Der nächste Chef oder die nächste Chefin, mutmasst Liembd, werde wohl wieder inhaltlich prägend wirken.
Der Schüür-Chef kennt das Konzerthaus seit Jahren als Besucher, Veranstalter, DJ und als Musiker: 2005 stand er mit seiner Band The Unborn Chicken Voices als Support der englischen Indie-Band Maxïmo Park auf der Schüür-Bühne. Gelegentlich veranstaltet er selber in der Schüür. Es sind Bands, mit denen er sozialisiert wurde: Mothers Pride, Jolly and the Flytrap oder Moped Lads. Er sei nicht mehr an der Quelle des Neuen, stellt Liembd fest. «Wer nach mir kommt, muss wieder jung denken, alte Zöpfe abschneiden, neue Ideen platzieren.»
Perfekter Bühnensound
Weil das Haus immer investiert hat und jede Schüür-Leitung auf die aktuellen Bedürfnisse reagieren musste, ist das Lokal zeitgemäss und attraktiv geblieben. Wer hier auftritt, kann sich auf eine professionelle Infrastruktur, einen perfekten Bühnensound und auf einen perfekten Rundumservice verlassen. Mit Silvio Zeder ist seit acht Jahren ein kompetenter Booker an Bord, seit bald zwei Jahren ist Artur Londeix mit dabei. Die Programmation ist breit, neben unbekannteren Indie-Bands sind auch nationale Lieblinge wie Baschi, Patent Ochsner oder 77 Bombay Street willkommen. «Wir sind ein Haus für alle», lautet die Devise der Schüür-Leitung. Ob Pop, Metal, Blues, Rock, Hip-Hop, Lesung, Party: «Jeder Luzerner und jede Luzernerin soll mindestens einmal im Jahr in der Schüür etwas erleben können, das sie interessiert.»
Charme der Schüür bleibt erhalten
Nach den unsicheren Jahren, ob die Schüür dereinst dem Südzubringer würde weichen müssen, setzt jetzt der Erweiterungsbau ein umso klareres Zeichen für mindestens 20 weitere Jahre. Endlich genügend Kapazitäten für die Garderoben, die Toiletten, die Backstage-Räume. Auch programmatisch wird mit der unabhängigen Bespielung der zwei Bühnen (Erdgeschoss und Konzertraum) sowie der Gartenbühne eine hervorragende Ausgangslage geschaffen. «Wir haben viel mehr Kombinationsmöglichkeiten und können beispielsweise gleichzeitig einen Firmenanlass und ein Konzert oder ein Konzert und eine Party laufen lassen.» Auch für die Besuchenden werde der Aufenthalt angenehmer. Der Charme der Schüür werde bleiben, sagen die beiden Chefs, «aber alles wird einfach besser.»
Eigentlich würde sich Liembd eine Schüür wünschen, in der 365 Tage im Jahr etwas los ist. Jeden Abend fände ein Konzert statt. «Das werden nicht mehr Daniela und ich machen», sinniert der Chef mit einem Lächeln. «Aber wir gehen dann an den Eröffnungsapéro.»
Text: Pirmin Bossart, Freischaffender Journalist
Geschichte der Schüür
1992 nahm das Konzerthaus Schüür den Betrieb auf. Sie entstand – wie das Kulturzentrum Boa – als Folge des sogenannten Kulturkompromisses: Im Zuge der Realisierung des KKL Luzern erkämpfte sich auch die alternative Kultur eigene Räumlichkeiten. Die Schüür ist als Verein konstituiert. Die rund 350 Mitglieder bestellen den fünf- bis achtköpfigen Schüür-Rat, welcher wiederum die Geschäftsleitung bestimmt. Die Stadt Luzern als Besitzerin und der Verein haben einen Gebrauchsleihevertrag sowie eine Subventionsvereinbarung abgeschlossen.
Führendes Konzerthaus
In den knapp 30 Jahren ihres Bestehens hat sich die Schüür zum führenden Konzerthaus für Pop und Rock in der Zentralschweiz entwickelt. Ursprünglich auf 500 Besuchende ausgelegt, hat sie nach einigen kleineren strukturellen Umbauten heute eine Kapazität für 780 (Konzerte) und für 1100 (Partys) Besucherinnen und Besucher.
Bauprojekt
Durch die Sanierung und die Erweiterung erhält die Schüür auf der Nordostseite einen zweigeschossigen Anbau. Er bringt mehr räumliche Kapazitäten, bessere Abläufe und mehr Komfort sowohl für die auftretenden Künstlerinnen und Künstler wie für das Publikum. Dafür hat der Grosse Stadtrat im Mai 2021 einen Sonderkredit von 6,084 Mio. Franken bewilligt (inklusive aufgerechneten Mietverzichts und jährlicher Veranstaltungspauschale).
Weitere Informationen: www.schuur.ch