Am 4. Oktober 1798 tagten die helvetischen Räte erstmals in Luzern. Neun Monate lang blieb Luzern die Hauptstadt der neuen Helvetischen Republik – dann musste die Regierung nach Bern flüchten.
Der revolutionäre Geist, den die Französische Revolution ab 1789 in Europa entfachte, wehte im ausgehenden 18. Jahrhundert auch auf dem Gebiet der heutigen Schweiz. Mit dem Vorrücken der Truppen Napoleons dankte die aristokratische Regierung des alten Staates Luzerns im Januar 1798 ab.
Vier Monate später riefen die französischen Besatzer auf dem Gebiet der Schweiz die Helvetische Republik aus, eine Tochterrepublik nach französischem Vorbild. Die aus Frankreich diktierte helvetische Verfassung bildete die Grundlage für einen zentralistischen Einheitsstaat mit 19 Kantonen und garantierte den Bürgern Stimmrecht, Rechtsgleichheit, Zugang zu Bildung und Ämtern, Niederlassungs- und Gewerbefreiheit. Rechte, welche den Bürgerinnen noch lange verwehrt wurden. Weil jetzt alle Männer im Kanton Luzern abstimmen durften, bekam die Landbevölkerung mehr Einfluss – im alten Staat Luzern war vor allem die Oberschicht aus der Stadt in der Regierung vertreten gewesen. Die Reform der Gesellschaftsordnung brachte Luzern wichtige Impulse, welche die kurze Zeit der Helvetischen Republik überdauerten wie beispielsweise die allgemeine Schulpflicht.
Dank dem vorausschauenden Kalkül revolutionsfreundlich eingestellter Patrizier wie Franz Bernhard Meyer von Schauensee hatte die abdankende Luzerner Regierung Stadt und Kanton einen friedlichen Übergang in die neue Epoche beschert. Luzern, geografisch und historisch im Zentrum des Landes, amtete während neun Monaten gar als Hauptstadt der neuen Republik. Das ursprünglich vorgesehene Aarau war nämlich zu klein für den Sitz der helvetischen Behörden. Am 4. Oktober 1798 fand die feierliche Eröffnung der helvetischen Räte in Luzern statt. Auf dem Mühlenplatz legten die Bürger öffentlich ihren Eid auf die Verfassung ab.
Der Senat tagte fortan im Rathaus und der Grosse Rat hätte in die Kirche im Ursulinenkloster Mariahilf einziehen sollen, wo auch Kanzleien, Archive und Staatsdruckerei untergebracht waren. Die Nonnen wurden dafür aus ihrem Kloster vertrieben. Im Falcinischen Haus an der Bahnhofstrasse 19 befand sich der Gerichtshof, der Rittersche Palast (heute Regierungsgebäude des Kantons) diente als Sitz des Direktoriums, das Sonnenberghaus (später von der Korporation genutzt) als helvetisches Schatzamt.
Nachdem die Gegner Napoleons auf ihrem Feldzug gegen die neue Ordnung von Osten her auch auf helvetisches Gebiet und bis nach Zürich vordrangen, flüchtete die Regierung im Mai 1799 weg von der nahenden Front nach Bern, womit Luzerns Tage als Hauptstadt gezählt waren.
Die zentralen Reformen und der hauptstädtische Ruhm dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Helvetik eine Zeit der Fremdbesatzung durch Frankreich war. Die französischen Truppen mussten ernährt werden, das belastete die Wirtschaft und verteuerte die Lebensmittel. Übergriffe von Soldaten auf die Zivilbevölkerung waren zwar selten, aber sie kamen vor. Als der Krieg andauerte, rekrutierten die Behörden zudem unter Zwang Soldaten aus der Bevölkerung. Viele atmeten auf, als die Mediationsakte am 19. Februar 1803 das Ende der Helvetischen Republik besiegelte.
In der späteren Sonderbundszeit fungierte Luzern gewissermassen noch einmal als – katholische – Hauptstadt. Für den liberal geprägten modernen Bundesstaat eignete sich das konservative Luzern jedoch nicht als Regierungssitz. Nach der Niederlage des Sonderbundes wurde Bern im November 1848 von der Bundesversammlung zum Sitz der Bundesbehörden gewählt, vor Zürich und dem weit abgeschlagenen Luzern, das bloss ein paar vereinzelte Stimmen holte.
Mit dieser Bildgalerie beleuchtet das Stadtarchiv dieses ereignisreiche Kapitel der Luzerner Geschichte.