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Schaulustige schlendern mit Säckli voller Magenbrot durch die Strassen, der Duft von gerösteten Marroni erfüllt die Luft und das weithin sichtbare Riesenrad am Europaplatz prägt das Stadtbild: Es ist wieder «Määs» in Luzern. Die grösste Herbstmesse der Zentralschweiz feiert dieses Jahr ihr 650-jähriges Bestehen und blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurück.

Seit dem Mittelalter gehörten Märkte zu den Merkmalen einer Stadt. Auch in Luzern trug der Markt wesentlich dazu bei, dass die Stadt als verkehrsgünstig gelegener Umschlagplatz für Waren und Dienste an Bedeutung gewann. Neben dem täglichen Markt und dem Wochenmarkt entstanden bald auch der Jahrmarkt oder die Messe. Chilbis (Kirchweihen) und Messen orientierten sich traditionell an kirchlichen Festtagen. Die Herbstmesse folgte auf das Fest des Luzerner Stadtpatrons St. Leodegar am 2. Oktober. Ursprünglich ein reiner Warenmarkt für den Jahresbedarf – zum Beispiel Stoffe, Leder- oder Metallwaren – kamen nach und nach auch Musik, Schaubuden und Gaukler zur Chilbi dazu.

Im Mittelalter spielten sogenannte «freie Messen» eine wichtige Rolle. «Frei» bedeutete, dass alle Warenkategorien von allen Personen angeboten werden konnten, auch von Frauen. Marktfrauen durften in Luzern nicht nur handeln, sie konnten ihre Anliegen bereits 1417 selbstständig vor Gericht vertreten, ohne dafür von ihrem Vormund oder Ehemann das Einverständnis einholen zu müssen.

Im Auftrag der IG Luzerner Herbstmesse und Märkte recherchierte der Historiker Konrad Wanner nach den ältesten Belegen für die Luzerner Messe. Er fand im Luzerner Bürgerbuch im Staatsarchiv Luzern einen Eintrag für die «mes», die 1374 in der «Schaal» (Markthalle) auf dem heutigen Weinmarkt stattgefunden habe. Zwar gibt es noch ältere schriftliche Zeugnisse für das Luzerner Markt- und Messewesen, vor 650 Jahren ist aber erstmals das Wort «mes» (Messe) verzeichnet worden. Bis zur Määs, wie wir sie heute kennen, verging aber noch viel Zeit.

Im 19. Jahrhundert gab es Bestrebungen, die Messen aus der Enge der Altstadt vor die Stadtmauern zu verlegen. Der Jahrmarkt fand deshalb lange auf dem Kurzweilplatz beim heutigen Kasernenplatz statt. Damals mieteten viele Händlerinnen und Händler auch Wohn- oder Geschäftshäuser und boten ihre Waren in Stuben und Zimmern an.

Nach dem Bau des ersten Bahnhofs 1856 verlegte der Stadtrat die Schaubuden, Karussells und andere Vergnügungen vom Kasernenplatz auf den Bahnhofplatz. Im Frühjahr 1934 zog die Schaubudenmääs aufs Inseli, begleitetet von entrüsteten Polemiken aus Tourismuskreisen. Die Buden seien eine «Verschandelung» des schönen Platzes. Der Stadtrat liess die Herbstmesse aufgrund der heftigen Kritik in den Tageszeitungen gar absagen. Einige Schaustellende organisierten stattdessen im Gartenrestaurant Flora an der Pilatusstrasse eine kleine «private» Määs. Die Wogen glätteten sich und 1955 zog die Määs auf den frisch zugeschütteten Inselikanal. Ab Herbst 1967 fand auch die Warenmääs auf dem Inseli statt, wo sie bis heute geblieben ist.

Das Stadtarchiv Luzern ermöglicht mit der vorliegenden Bildgalerie einen kurzen Einblick in die Geschichte der Määs. Ein ausführlicher Überblick findet sich im Buch von Heiri Hüsler «Märkte und Messen in der Stadt Luzern». Dieses ist 2019 in der Publikationsreihe des Stadtarchivs «Luzern im Wandel der Zeiten» erschienen und kann beim Stadtarchiv bezogen (Link) oder in dessen Lesesaal eingesehen werden.
Die Marktordnung von 1778 hielt das Standgeld fest, welches an der Määs zu entrichten war. Die Blumenhändlerin Anna Maria Roos bezahlte z. B. eine Gebühr von 15 Schilling für ihren Stand. Ein gewisser Alfred schickte diese Ansichtskarte von der Luzerner Messe 1899. Dasselbe Sujet mit amerikanischer Schnellfotografie und Variété wurde auch für Messen von Leipzig bis Bern gedruckt. Spielsachen und Süssigkeiten bringen Kinderaugen auf dem Inseli noch heute zum Leuchten. An Markttagen konnte Frau schon früh einem selbstständigen Erwerb nachgehen. Nicht nur Fahrer auch Fahrerinnen drehten mutig mit dem Velo oder Motorrad Kreise und Loopings in einer geflochtenen Stahlkugel. Auf dem Autoscooter setzen sich nach wie vor Jung und Alt ans Steuer. Plakat für die Luzerner Herbstmesse vom 3. bis 18. Oktober 1970 in Form eines Marroni-Ofens. Das 1982 entworfene Plakat des Luzerner Grafikers Hans Blättler bewirbt die Määs bis heute. In den 1940er-Jahren bestanden Riesenräder noch grösstenteils aus Holz. Die Entwicklung der verwendeten Materialien liess die Räder immer weiter in die Höhe wachsen. Die Määs ist bei Jugendlichen und Junggebliebenen seit jeher beliebt, bietet sie doch zahlreiche Gelegenheiten, sich näher zu kommen. 1867 war Cholera der Grund, 1920 wegen der Maul- und Klauenseuche, 1939 aufgrund der Mobilmachung, 1952 zugunsten der Weltausstellung Fotografie, 2020 und 2021 wegen des Coronavirus. Die Initiative, die am 26. November 2023 zur Abstimmung kam, setzte sich dafür ein, die Määs auf dem Inseli zu belassen. Sie wurde mit knapp 70% angenommen.