Von Edith Arnold
Caro Käch hätte einen Notfallplan, um «in den schönsten Garten von Luzern» zu gelangen. Doch dann funktioniert der Schlüssel zum Treibhaus-Eingang am Spelteriniweg 4 in der Tribschenstadt doch noch. Kein Parkour also, um das Gittertor durch körperliches Geschick zu überwinden. Die Gastgeberin führt zum Tisch unter dem Baum in der Gartenmitte. Über der Zone liegt verträumte Samstagmorgenstimmung.
«Hier fühlte ich mich vom ersten Moment an zu Hause», sagt sie. Das Holzhaus weiter hinten sei Kulisse für eines ihrer ersten Social-Media-Videos gewesen. Auf dem Boden habe ihr Kollege den Schnee- bzw. Kiesengel gemacht, was sie für einen Veranstaltungshinweis gefilmt habe. Als sie vor vier Jahren länger beim Kartenspiel im Garten verweilt, entsteht die Idee fürs «Tichu-Turnier», das seither mehrmals pro Jahr stattfindet. Tichu, ein Kartenspiel, bedeute Adrenalin ohne Kater. Es eigne sich sogar während akuter Prüfungsphasen: Die lustigen und komplizierten Regeln führten sofort zu frischen Gedanken, weiss Caro Käch.
Emmenbrücke – Murcia – Treibhaus Luzern
Die 26-Jährige hat einen Bachelor in spanischer und englischer Sprach- und Literaturwissenschaft. Auslöser sind Songtexte von Shakira aus Kolumbien. «Und wie sich die Sängerin zur Musik bewegte, faszinierte mich während der Primarschulzeit total», sagt sie. An der Kantonsschule Reussbühl wählt sie Spanisch als Schwerpunktfach, in der Freizeit besucht sie Hüfttanz- und Streetdance-Kurse.
Nach der Matura zieht sie von Emmenbrücke «in die Stadt» und will zuerst «richtig arbeiten» – als Service-Fachkraft im Restaurant Bahnhöfli in Luzern. Die Stelle übt sie mit der Zeit parallel zum Studium in Bern aus. Nach dem Austauschsemester im andalusischen Murcia wird im Treibhaus ein Job an der Bar frei. Sie fühlt sich sofort als Teil des kreativen Ökosystems. Ein paar Monate später, auf den Bachelor-Abschluss hin, wird ein einjähriges «Social Media und Kommunikation»-Praktikum ausgeschrieben. Caro Käch ist sofort zur Stelle.
Lieblingsband ohne Publikum
«Was gibt es Spannenderes, als mit Gleichgesinnten experimentieren zu können?!», findet Caro Käch. «Mach’s mal!», ist der Motivationsspruch auf geäusserte Ideen. Ob diese funktionieren, zeigt sich bei der Umsetzung. Als sie mit vier Kolleginnen Acts für Flintas (Frauen, Lesben, inter, nicht binäre, trans und agender Personen) organisiert, lassen sich alle von der Euphorie leiten. «Wir buchten unsere Lieblingsbands Asendorf aus Winterthur und Naveni aus Freiburg», erinnert sie sich. Doch die jungen Musikerinnen kennt in Luzern kaum jemand. Im Publikum sind vor allem die Organisatorinnen. Die «Privatkonzerte» werden später mit der Treibhaus-Leitung besprochen. Learnings: Budget vorgängig prüfen, Konzerte auf allen Medienkanälen bewerben. So werden danach «Tour de Frigo»- Konzerte veranstaltet.
Unkompliziert, präsent, engagiert
Caro Käch überlässt die Bühne anderen, wirkt lieber im Hintergrund. Als Kulturpflanze wäre sie wohl ein Philodendron, genauer eine immergrüne Monstera, resilient, unkompliziert, präsent, sagt Caro Käch. Eine, die durch ihr Engagement das Treibhaus mitgeprägt hat, fügt Leiterin Melanie Reber hinzu (siehe Spalte). Und eine aufmerksame Gastgeberin selbst für gefiederte Stammgäste: Käch schaut durchs Fenster zur Bartheke. Offenbar haben sich Spatzen über einen kleinen Spalt Zugang verschafft. Sie werden von ihr umgehend hinausgeleitet. Gegen Ende des einjährigen Praktikums habe sie so viele Bewerbungen verschickt, fährt sie fort, dass sie den Überblick verloren habe. Während einer Ferienwoche mit dem Barteam in Valencia erreicht sie die E-Mail von Schweizer Fernsehen SRF, sie könne beim Format «We, Myself & Why» mitarbeiten. Vom Treibhaus zu SRF: noch mehr Grund zum Feiern am Ferienstrand!
Im Zürcher Leutschenbach trifft sie aufs Team: elf Frauen, die ultimativen Frauenthemen nachgehen. Porträts und Reportagen werden für Instagram und Youtube-Kanäle aufbereitet. «Am besten waren die Weiterbildungsmöglichkeiten. Zudem tauschte man sich mit internationalen Fernsehschaffenden aus», so Caro Käch. Am Social-Media-Day habe eine ARD-Journalistin in Zürich teilgenommen, eine Kollegin schaltete sich aus New York zu. Hauptthema: Wie bringt man Inhalte zu jungen Medienkonsumierenden? Nach wie vor durch spielerische Überreizung: gleichzeitig Video in Video, Pfeile zu Animationen, aufleuchtende Schlagwörter. Wie Algorithmen sogleich die Verweildauer berechneten, werde auch kontrovers diskutiert.
Nichts Heilsameres als Musik
Ihr Medienverhalten ist divers. Sie habe die SRFNews-App auf Instagram abonniert, sagt Caro Käch. So könne sie sich vielfältig und unterhaltsam informieren. Themen wie Abstimmungen und Wahlen würde sie mit Bekannten diskutieren – überall, auch auf anderen Gastronomieterrassen. Analog wird ebenso der «Weltschmerz» geteilt. Kriege, Umweltverschmutzung, Diskriminierung: «Es gibt so vieles, das nicht okay läuft. Umso wichtiger ist es, zwischendurch alles Negative bewusst auszublenden», findet sie. Dazu gibt es nichts Heilsameres als Musik. Auf ihrer Playlist sind derzeit «Mediterraneo» von Joan Manuel Serrat zur Entspannung und «Good Luck, Babe» von Chappell Roan zur Beschleunigung. Sie sei eine Musik-Juke-Box, sagt Caro Käch beiläufig. Im Gedächtnis sind Songs von Rosa-Pop bis Hässig-Punk inklusive Lyrics gespeichert. In der Küstenstadt Marseille ist kürzlich lauter Mistral-Wind dazugekommen – vermischt mit Electronica-Surf-Rock der französischen Band Cool Colorado.
Kaffee in Barista-Qualität
Wohin es sie beruflich idealerweise treibt? Gerne zu einem Kulturhaus in die Kommunikation oder Programmation, sagt die «Kulturveranstaltungsenthusiastin». Im Treibhaus organisiert sie weiter «Tour de Frigo»-Konzerte mit. Erstmals engagiert sie sich ehrenamtlich beim Echolot Festival und Funk am See in Luzern mit. Seit September arbeitet sie Teilzeit im Café TaCuba an der Hirschmattstrasse, wo Spanisch und Englisch gesprochen wird. Den Kaffee in Barista-Qualität zu bereiten, sei ein neues Level. Und den Master plane sie erst, wenn sie genau wisse, wofür sie ihn brauche. Sonst sei dieser nur ein Stück Papier, sagt die Frau der Tat.
Treibhauskultur mit Strategie
Mit dem Treibhaus fördert die Stadt Luzern seit 20 Jahren Jugendkultur. Am Ort engagieren sich jeweils bis zu 100 junge Leute. Sie trainieren Kompetenzen wie Veranstalten, Kommunikation, Bands-Buchen, Veranstaltungstechnik, Gastronomie. Dabei werden sie vom Betriebsteam professionell unterstützt.
Breite Erfahrung
Geschäftsleiterin ist Melanie Reber. Die 32-Jährige hat schon alles Mögliche gemacht: kaufmännische Lehre mit Berufsmatura bei der Genossenschaft Migros Luzern in Dierikon, Bachelor in Design Management an der Hochschule Luzern, Jobs bei Zürcher Medien- und Werbefirmen, danach Leiterin Marketing und Kommunikation beim Radio 3fach in Luzern. Seit zwei Jahren führt sie das Treibhaus Luzern.
Altersbegrenzung
Für das Leitungsteam gibt es keine Altersguillotine, für Angestellte auf Stundenlohnbasis hingegen schon: Sie dürfen nicht älter als 26 Jahre sein. Auch bei den Veranstaltungsgruppen darf das Durchschnittsalter nicht höher liegen. Das sei gut, sonst würden viele im anregenden Klima Wurzeln schlagen, lacht Reber.
Talentschmiede
Ziel ist es, dass möglichst viele Talente heranreifen, die für andere Institutionen und auch Firmen interessant sind. Fürs Networking führt Melanie Reber sogenannte Kulturläufe zu anderen Orten durch. Im Sommer hat sie Treibhaus-Zöglinge ans Funk am See in Luzern und an die Stanser Musiktage vermitteln können.