Bild oben: «Mit der Übung kommt die Leichtigkeit», sagt Stadtschreiberin Michèle Bucher zur Anwendung der inklusiven Sprache in der Stadtverwaltung. In offiziellen Dokumenten wird vorerst allerdings auf den Genderstern verzichtet.
Interview: Julia Krummenacher
Michèle Bucher, weshalb war es im September 2024 Zeit für einen neuen Leitfaden?
In unserer Gesellschaft gibt es immer mehr Menschen, die sich der binären Geschlechterordnung nicht zugehörig fühlen. Es ist dem Stadtrat ein grosses Anliegen, dass alle Menschen von der Verwaltung gleichermassen angesprochen, respektiert und einbezogen werden. Das stellen wir mit dem neuen Leitfaden sicher.
Was ändert sich konkret?
Wir achten nicht nur bei der Schrift-, sondern auch bei der Bildsprache auf eine einschliessende Kommunikation, die Bildwelt wird vielfältiger. Die offensichtlichste Änderung ist aber die Einführung des Gendersterns.
Warum der Genderstern?
Der Genderstern macht die geschlechtliche Vielfalt sichtbar. Aber keine Angst: Niemand wird gezwungen, mit dem Genderstern zu kommunizieren. Zudem wird aus Gründen der Rechtssicherheit in offiziellen Dokumenten vorerst auf die Verwendung dieses typografischen Zeichens verzichtet. Das gilt für Texte, die in der systematischen Rechtssammlung publiziert werden, aber auch für Stadtratsbeschlüsse, Berichte und Anträge und Abstimmungsbroschüren.
Wie wird die inklusive Sprache bei der Stadt eingesetzt?
Zielgruppenspezifisch und kreativ. Wer ausschliesslich mit Männern oder Buben kommuniziert, kann ohne Weiteres in der männlichen Form schreiben. Wer mit einer grösseren Gruppe von Menschen kommuniziert und nicht von jeder einzelnen Person das Geschlecht kennt, soll neutrale Formulierungen oder den Genderstern verwenden.
Und ganz wichtig ist die Kreativität. Die inklusive Sprache soll auch Freude machen. Der neue Leitfaden soll inspirieren und motivieren.
Was sind die Vorteile davon?
Die sprachliche und faktische Gleichstellung ist ein Grundrecht, das allen Menschen zusteht. Es ist wohltuend, einen Beitrag zu leisten, damit alle Menschen davon profitieren können.
Verwenden Sie inklusive Sprache auch in Ihrem Arbeitsalltag?
Selbstverständlich! Die inklusive Sprache ist für mich eine Selbstverständlichkeit – im beruflichen wie auch im privaten Umfeld. Als Frau weiss ich, wie es sich anfühlt, wenn man sprachlich diskriminiert wird. Das Gute ist: Die inklusive Sprache wird langsam alltäglich.
Haben Sie Reaktionen auf den Leitfaden erhalten?
Ja. Nicht nur bei den Geschlechtern, auch bei den Reaktionen gibt es eine grosse Vielfalt: Freude, Verunsicherung, Wut, Motivation – das Gute ist: Mit der Übung kommt die Leichtigkeit – und mit gutem Willen kann man eigentlich nichts falsch machen.