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Im Jahr 1973 wurde eine alte Forderung endlich Wirklichkeit: Die engen Gassen der Luzerner Altstadt dürfen seither nicht mehr mit Autos befahren und ihre Plätze nicht mehr zum Parkieren verwendet werden. Die Diskussion, wie viel Raum den einzelnen Verkehrsteilnehmenden in der Stadt zusteht, geht jedoch weiter zurück und beschäftigt Luzern heute noch.

Bereits in den 1950er-Jahren erliess die Stadtpolizei in Zeiten grossen Fussgängeraufkommens zeitlich beschränkte Fahrverbote in einzelnen Gassen der Altstadt. Das grosse Umdenken fand aber erst zwei Jahrzehnte später statt.

Über 15'000 Personen forderten 1972 mit einer Petition eine autofreie Altstadt. Im April 1973 beschloss die City Vereinigung Luzern, diese Bemühungen zu unterstützen. Auf Antrag des Stadtrates erliess der Luzerner Regierungsrat im August 1973 ein allgemeines Fahrverbot für die Hertensteinstrasse, den Rathausquai, die Weggisgasse und weitere Gassen der Altstadt. Die Stadtpolizei stellte Parkverbote auf. Im Sinne eines sanften Übergangs blieben Abstellplätze für einzelne Fahrzeuge weiterhin bestehen.

Die Befreiung vom motorisierten Verkehr wurde begleitet von einem zähen Ringen um Ausnahmebe­willigungen, Gestaltungsideen sowie der Frage, wer den neuen Freiraum nutzen dürfe. Welche Veranstaltungen sollten in der Altstadt bewilligt werden? Wie tolerant sollte die Stadt gegenüber Jugendlichen sein, die sich auf den frei gewordenen Plätzen aufhielten? Die Verantwortlichen und die Bevölkerung brauchten einige Jahre, um solche Fragen zu klären. Die Altstadtplätze konnten sich letztlich aber als vielfältig genutzte Lebensräume entwickeln.

Mit dem Bau von Parkhäusern und der Einführung eines kostenlosen Shuttlebuses zum Bahnhof blieb die Altstadt als Shoppingmeile gut erreichbar. Sie konnte der Konkurrenz des 1975 eröffneten Shopping-Centers in Emmen trotzen.

Eine Blechlawine, die sich durch die Luzerner Altstadt-Gassen wälzt, ist heute nicht mehr vorstellbar. Trotzdem gibt es immer noch zu viel Autoverkehr. Der Stadtrat und das Parlament von Luzern wollen die Aufenthalts- und Lebensqualität in der Altstadt weiter verbessern und haben im Jahr 2020 Massnahmen beschlossen, um das geltende Fahrverbot künftig besser durchsetzen zu können.

Die vorliegende Bildgalerie ermöglicht einen Rückblick auf die abwechslungsreiche Verkehrsgeschichte.

In der schmalen Eisengasse kam es bereits in den 1930er-Jahren zu Engpässen. Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit liess die Verkehrspolizei die Gassen der Altstadt 1955 in Zeiten mit hohem Fussgängeraufkommen sperren. Von 11– bis 12.15 Uhr und von 16 bis 18.30 Uhr galt ein striktes Fahrverbot. Einen freien Parkplatz zu finden war in der Altstadt der 1960er-Jahre eine Lotterie. Unter der Egg war 1960 wenig Platz frei zum Flanieren und Verweilen an der Reuss. Die Bergung eines Unfallfahrzeugs unter der Egg im Mai 1956. Fussgänger/innen zwischen abgestellten Autos auf dem Weinmarkt um 1960. Auf dem Kornmarkt wurde bereits im Frühling 1972 ein Parkverbot eingeführt. Um diesem Geltung zu verschaffen, versperrte die Stadtpolizei den Platz mit Metallgittern. Stadtrat Robert Hodel nimmt am 10. Oktober 1972 die vom Luzerner Tagblatt gesammelten sagenhaften 15'556 Unterschriften für eine autofreie Altstadt entgegen. Hodel selber gehörte zu den ersten Unterzeichnern. Die Stadtgärtnerei umrahmte die am 17. August 1973 aufgestellten Verbotstafeln mit eigens zusammengestellter Bepflanzung. Im Gegensatz zu den Detaillisten hatten die Wirte wenig Freude an der Autofreiheit. Das «Z» bezieht sich auf die gelben Kennmarken für Ausnahmebewilligungen. Unter dem Titel «Altstadtplätze – alte Plätze» Veröffentlichte der Schweizerische Werkbund Gestaltungsvorschläge und Visualisierungen für die vom Verkehr befreiten Altstadtplätze. Der elektrisch betriebene City-Bus beförderte Kauflustige in die Altstadt. Die «langhaarigen Gesellen», die sich aufgrund der freien Plätze nun häufiger vor dem Rathaus aufhielten, passten für Stadtpräsident Hans Rudolf Meyer nicht ins Bild. Um sie fernzuhalten, liess er 1976 Blumenkisten auf den Bänken aufstellen. An der Stelle des abgerissenen Waisenhauses erstellten Einwohner- und Bürgergemeinde 1979 am Kasernenplatz das Altstadtparking Luzern. Im Mai 1981 wehrten sich zahlreiche Auto- und Töfflifahrende gegen die geplante Aufhebung der verbliebenen Parkplätze auf dem Kapellplatz. Die Tageszeitungen berichteten 1982 über die Aktion der Gruppe «Altstadtbewohner Luzern» zur Belebung des autofreien Platzes. Mit der Erteilung von Bewilligungen an Strassenmusizierende ermöglichte der Stadtrat ab 1980 eine willkommene Belebung der Altstadtplätze.